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Informationen zum Dokument  BGE 124 I 40 - Zwangsbegutachtung Derendingen  Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BGE 125 II 417 - PKK
BGE 139 I 280 - Kopftuch in Bürglen
BGE 133 I 58 - Rezeptfreies Natrium-Pentobarbital
BGE 127 I 6 - Basler Zwangsmedikation
BGE 126 I 112 - Berner Zwangsmedikation

Zitiert selbst:
BGE 123 I 221 - Schällenmätteli
BGE 122 I 279 - Parkierungsgebühren Zürich
BGE 118 Ia 427 - Schulzahnpflegegesetz Freiburg
BGE 117 Ia 472 - Vermummungsverbot
BGE 115 Ia 277 - Katastrophenfall
BGE 109 Ia 273 - Vest

Regeste
Sachverhalt
Auszug aus den Erwägungen:
Erwägung 2
2.- Die vorliegende Beschwerde richtet sich sowohl gegen die Zwan ...
Erwägung 3
3.- a) Die Garantie der pers�nlichen Freiheit ist ein ungeschrieb ...
Erwägung 4
4.- a) Nach der Auffassung der kantonalen Beh�rden soll die Besch ...
Erwägung 5
Erwägung 6
Bearbeitung, zuletzt am 29.05.2020, durch: DFR-Server  
 
6. Auszug aus dem Urteil der I. �ffentlichrechtlichen Abteilung
 
vom 27. Februar 1998  
i.S. X. gegen Vormundschaftsbeh�rde der Einwohnergemeinde Derendingen und Obergericht des Kantons Solothurn  
(staatsrechtliche Beschwerde)  
 
Regeste
 
Pers�nliche Freiheit, Verh�ltnism�ssigkeitsgebot (psychiatrische Zwangsbegutachtung).  
Garantie der pers�nlichen Freiheit (E. 3a). Gesetzliche Grundlage als Voraussetzung f�r Eingriffe in die Freiheitsrechte (E. 3b). Eidgen�ssische und kantonale Vorschriften sowie Bundesgerichtspraxis zur psychiatrischen Begutachtung im Entm�ndigungsverfahren (E. 3c-d). Verfassungsm�ssiges Gebot der Verh�ltnism�ssigkeit (E. 3e).  
Umst�nde, unter denen die zwangsweise polizeiliche Vorf�hrung einer hochbetagten, gebrechlichen und pflegebed�rftigen Person zur �rztlichen Begutachtung in einer psychiatrischen Klinik unverh�ltnism�ssig erscheint (E. 4a-e). Verh�ltnism�ssigkeit und Gesetzm�ssigkeit einer ambulanten psychiatrischen Begutachtung am Wohn- und Pflegeort der betroffenen Person (E. 5).  
 
BGE 124 I 40 (41)Sachverhalt
 
Die Vormundschaftsbeh�rde der Einwohnergemeinde Derendingen leitete am 31. Mai 1996 gegen Frau X. (geb. 1909) ein Entm�ndigungsverfahren wegen vermuteter altersbedingter Geistesschw�che ein. Mit Verf�gung vom 18. Juni 1996 ordnete der Amtsgerichtspr�sident Bucheggberg-Wasseramt die Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens durch die Kantonale Psychiatrische Klinik Solothurn an. Am 16. Juni 1997 wurde X. vom Leitenden Arzt der Psychiatrischen Klinik zu einer ambulanten Untersuchung aufgeboten. Nachdem sie dem Aufgebot keine Folge geleistet hatte, wurde sie mit Verf�gung des Amtsgerichtspr�sidenten vom 23. Juni 1997 zur ambulanten psychiatrischen Begutachtung auf den 3. Juli 1997 vorgeladen, unter Androhung der polizeilichen Vorf�hrung im Unterlassungsfall. Nachdem X. auch diesem Aufgebot keine Folge geleistet hatte, erliess der Amtsgerichtspr�sident am 7. Juli 1997 folgende Verf�gung:
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    "1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Aufforderung zur ambulanten Begutachtung am 3. Juli 1997 durch Dr. med. Y. in der Kantonalen Psychiatrischen Klinik nicht Folge geleistet hat.
2
    2. Der neue Termin zur ambulanten Begutachtung der Beklagten durch Dr. Y., Leitender Arzt von der Kant. Psychiatrischen Klinik Solothurn, wird
3
    festgesetzt auf Montag, den 14. Juli 1997, 14.00 Uhr.
4
    3. Als angedrohte Folge gem�ss Verf�gung vom 23. Juni 1997 wird Frau X.
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rechtzeitig zum vorgenannten Termin polizeilich vorgef�hrt."
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Einen von X. dagegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht (Zivilkammer) des Kantons Solothurn mit Urteil vom 21. Oktober 1997 ab. Gegen den Entscheid des Obergerichtes gelangte X. mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie r�gt eine Verletzung der pers�nlichen Freiheit sowie von Art. 4 BV, Art. 5 EMRK und Art. 8 der solothurnischen Kantonsverfassung und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Auszug aus den Erwägungen:
 
Aus den Erw�gungen:
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Erwägung 2
 
2.- Die vorliegende Beschwerde richtet sich sowohl gegen die Zwangsbegutachtung in einer psychiatrischen Klinik als auch gegen die polizeiliche Vorf�hrung zum Zwecke der Begutachtung. Die Beschwerdef�hrerin sieht darin eine Verletzung der pers�nlichen Freiheit, von Art. 5 EMRK sowie von Art. 4 BV. Sie macht geltend, eine zwangsweise polizeiliche Vorf�hrung in die KantonaleBGE 124 I 40 (41) BGE 124 I 40 (42)Psychiatrische Klinik zum Zwecke der �rztlichen Begutachtung sei unverh�ltnism�ssig, willk�rlich und finde keine ausreichende Grundlage im Gesetz. Hingegen erkl�rt sie sich mit einer psychiatrischen Begutachtung in ihrer Wohnung grunds�tzlich einverstanden.
9
Die kantonale Vormundschaftsbeh�rde stellt sich auf den Standpunkt, die Beschwerdef�hrerin sei zwar "alt und gebrechlich, nicht aber bettl�gerig". Sie k�nne daher "ohne Gef�hrdung ihrer Gesundheit durch die Polizeiorgane in die Psychiatrische Klinik gebracht werden". "Von den mit der Sache befassten Kantonspolizisten" werde man "erwarten d�rfen, dass sie den Auftrag schonungsvoll und angemessen ausf�hren". Falls sich "der Gesundheitszustand der Interdizendin als fragil erweisen w�rde", verstehe es sich "von selbst, dass die Polizeikr�fte mit dem Arzt R�cksprache nehmen, gegebenenfalls ein rollstuhlg�ngiges INVA-Taxi herbeiordern oder zur Not den Transport mit einer Ambulanz veranlassen". Die Begutachtung k�nne entgegen dem Antrag der Beschwerdef�hrerin nicht an ihrem Wohnort durchgef�hrt werden, da "keineswegs Gew�hr daf�r bestehe, dass dort der Arzt ungest�rt seine Befragung und seine Untersuchung durchf�hren" k�nnte.
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Erwägung 3
 
3.- a) Die Garantie der pers�nlichen Freiheit ist ein ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung, das nicht nur die Bewegungsfreiheit sowie die k�rperliche und psychische Integrit�t, sondern dar�ber hinaus die W�rde des Menschen und alle Freiheiten sch�tzt, die elementare Erscheinungen der Pers�nlichkeitsentfaltung darstellen. Das Recht auf pers�nliche Freiheit gilt indessen, wie die �brigen Freiheitsrechte, nicht absolut. Beschr�nkungen sind zul�ssig, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im �ffentlichen Interesse liegen und verh�ltnism�ssig sind; zudem d�rfen die verfassungsm�ssigen Freiheitsrechte weder v�llig unterdr�ckt noch ihres Gehaltes als Institution der Rechtsordnung entleert werden. Der Schutzbereich der pers�nlichen Freiheit samt ihren Auspr�gungen sowie die Grenzen der Zul�ssigkeit von Eingriffen sind jeweils im Einzelfall - angesichts von Art und Intensit�t der Beeintr�chtigung sowie im Hinblick auf eine allf�llige besondere  Schutzbed�rftigkeit des Betroffenen - zu konkretisieren (BGE 123 I 221 E. I/4 S. 226; 118 Ia 64 E. 2d S. 74, 427 E. 4b S. 434; 117 Ia 341 E. 4 S. 345, E. 5a S. 346; 107 Ia 52 E. 3 S. 55 ff.).
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b) Schwere Eingriffe in die Freiheitsrechte, namentlich Inhaftierungen, bed�rfen einer klaren und ausdr�cklichen Regelung in einem formellen Gesetz (BGE 123 I 221 E. I/4a S. 226; 112 Ia 107 E. 3bBGE 124 I 40 (42) BGE 124 I 40 (43)S. 112). Die gesetzliche Grundlage f�r Eingriffe in die Freiheitsrechte muss ein Mindestmass an Bestimmtheit und Klarheit aufweisen. Die Rechtsnorm muss ausreichend zug�nglich sein, und der B�rger soll in hinreichender Weise erkennen k�nnen, welche rechtlichen Vorschriften auf einen gegebenen Fall anwendbar sind. Das Gesetz muss mithin so pr�zise formuliert sein, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umst�nden entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 115 Ia 277 E. 7a S. 288; 109 Ia 273 E. 4d S. 282 f.). Es kann dem Gesetzgeber jedoch grunds�tzlich nicht verwehrt werden, allgemeine Begriffe zu verwenden, die formal nicht eindeutig umschrieben werden k�nnen und die an die Auslegung durch die Beh�rden spezielle Anforderungen stellen. Insbesondere k�nnen die nicht abstrakt erfassbare Vielfalt der zu ordnenden Sachverhalte oder das Bed�rfnis nach einer sachgerechten Entscheidung im Einzelfall f�r eine gewisse Offenheit der fraglichen Norm sprechen (BGE 117 Ia 472 E. 3e S. 479 f.; 109 Ia 273 E. 4d S. 284). Beispielsweise hat das Bundesgericht die strafprozessuale �berwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs im Kanton Basel-Stadt als ausreichend gesetzlich bestimmt angesehen, obwohl die Eingriffsvoraussetzungen in Form einer Generalklausel definiert wurden (BGE 109 Ia 273 E. 6e</a> S. 288). Analoges gilt z.B. auch f�r die Akteneditionspflicht der Revisoren nach Z�rcher Strafprozessrecht (vgl. nicht amtlich publizierter Entscheid vom 31. Januar 1996 i.S. R. AG, E. 4b).
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c) Nach der Praxis des Bundesgerichtes stellt die Verpflichtung, sich f�r eine psychiatrische Begutachtung zur Verf�gung zu halten, grunds�tzlich keinen schweren Eingriff in die pers�nliche Freiheit dar. Die �rztliche Begutachtung im Entm�ndigungsverfahren m�sse n�tigenfalls auch gegen den Willen der Betroffenen erfolgen k�nnen. Unter Umst�nden k�nne sogar eine kurzfristige Anstaltseinweisung zul�ssig sein. Voraussetzung sei allerdings, dass �berhaupt ein hinreichender Anlass f�r die Er�ffnung eines Entm�ndigungsverfahrens bestand (BGE 110 Ia 117 E. 5 S. 121 f.; vgl. auch BGE 118 Ia 427 [medizinische Zwangsbehandlung gem�ss kantonalem Schulzahnpflegegesetz]). Diese Praxis wird in der neueren Literatur teilweise als zu wenig differenzierend angesehen (vgl. HANSJ�RG BRAUNSCHWEIG, La tutelle pour cause de maladie mentale, in: Psychiatrie et justice, Lausanne 1987, S. 21 ff.; THOMAS GEISER, Rechtliche Probleme der Zwangsbehandlung psychisch Kranker, in: Die f�rsorgerische Freiheitsentziehung, Tagung des SchweizerischenBGE 124 I 40 (43) BGE 124 I 40 (44)Instituts f�r Verwaltungskurse an der Hochschule St. Gallen, 1995 Nr. 2; ders., Die f�rsorgerische Freiheitsentziehung als Rechtsgrundlage f�r eine Zwangsbehandlung? in: Familie und Recht, Festgabe f�r Bernhard Schnyder, Freiburg/Ue. 1995, S. 289 ff.; BERNHARD SCHNYDER, Die Wirksamkeit der Patientenrechte im Bereich der unfreiwilligen psychiatrischen Einweisung: Versuch einer Bilanz, in: Die soziopsychiatrische Gesetzgebung, Freiburg/Ue. 1992, S. 251 ff.).
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d) Unter Vormundschaft geh�rt gem�ss Art. 369 Abs. 1 ZGB jede m�ndige Person, die infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschw�che ihre Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, zu ihrem Schutze dauernd des Beistands und der F�rsorge bedarf oder die Sicherheit anderer gef�hrdet. Die Entm�ndigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschw�che darf nur nach Einholung des Gutachtens von Sachverst�ndigen erfolgen, das sich auch �ber die Zul�ssigkeit einer vorg�ngigen Anh�rung der zu entm�ndigenden Person auszusprechen hat (Art. 374 Abs. 2 ZGB). Die Kantone bestimmen die f�r die Entm�ndigung zust�ndigen Beh�rden und das Verfahren (Art. 373 Abs. 1 ZGB). Der Sachverhalt wird von Amtes wegen abgekl�rt (vgl. SCHNYDER/MURER, Berner Kommentar zu Art. 373 ZGB, N. 15).
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Im Kanton Solothurn ist in den genannten F�llen das Amtsgericht f�r die Abkl�rung und allf�llige Bevormundung zust�ndig (� 121 EG ZGB/SO, � 224 Ziff. II lit. m und n ZPO/SO). Nach Solothurner Zivilprozessrecht haben die Parteien grunds�tzlich die Pflicht, dem Sachverst�ndigen f�r eine Begutachtung zur Verf�gung zu stehen und diesbez�glich einen Augenschein an ihrer Person zu dulden (�� 158 und 193 ZPO/SO). Gem�ss Regierungsratsbeschluss vom 4. Juni 1954 (RRB) kann zum Vollzug von Entscheiden und Verf�gungen der Vormundschaftsbeh�rden - soweit notwendig - polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Dies gilt namentlich, wenn beim Vollzug von den Betroffenen "Widerstand zu erwarten ist" (Ziff. 2 lit. c RRB). Auf Verlangen von Privatpersonen darf polizeiliche Hilfe nur mit Bewilligung des zust�ndigen Oberamtmanns in Anspruch genommen werden, es sei denn, dass eine "unmittelbare Gefahr f�r die betreffenden Personen selber oder f�r andere Personen besteht" (Ziff. 3 RRB).
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e) Das verfassungsm�ssige Gebot der Verh�ltnism�ssigkeit verlangt, dass staatliche Hoheitsakte f�r das Erreichen eines im �bergeordneten �ffentlichen Interesse liegenden Zieles geeignet, notwendig und dem Betroffenen zumutbar sein m�ssen. EineBGE 124 I 40 (44) BGE 124 I 40 (45)Zwangsmassnahme ist namentlich dann unverh�ltnism�ssig, wenn eine ebenso geeignete mildere Anordnung f�r den angestrebten Erfolg ausreicht. Der Eingriff darf in sachlicher, r�umlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht einschneidender sein als notwendig (BGE 118 Ia 427 E. 7a S. 439; 114 Ia 129 E. 5a S. 136, je mit Hinweisen; vgl. J�RG PAUL M�LLER, Kommentar zur Eidgen�ssischen Bundesverfassung, Bd. I, Einleitung zu den Grundrechten, N. 148). Das Gebot der Verh�ltnism�ssigkeit ist zwar ein verfassungsm�ssiges Prinzip; es kann jedoch jeweils nur zusammen mit einem besonderen Grundrecht (hier: pers�nliche Freiheit) geltend gemacht werden (BGE 122 I 279 E. 2e</a>/ee S. 287 f. mit Hinweisen).
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Erwägung 4
 
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    "Aufgrund des Gesundheitszustandes der Beschwerdef�hrerin ist es zwingend, dass eine allenfalls erforderliche Begutachtung der Beschwerdef�hrerin bei ihr zu Hause (was ohne weiteres m�glich ist) und nicht 'in den R�umen der KP' durchgef�hrt wird. Sowohl die Vorladung in die Kantonale Psychiatrische Klinik wie auch die polizeiliche Zuf�hrung dorthin stellen unn�tige und unverh�ltnism�ssige Belastungen f�r die ohnehin schon angeschlagene Gesundheit der hochbetagten und gebrechlichen Beschwerdef�hrerin dar".
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    b) Es liegt auf der Hand, dass die von den kantonalen Beh�rden angeordnete Vorgehensweise f�r eine 89j�hrige gebrechliche und pflegebed�rftige Frau einschneidendere Belastungen nach sich z�ge als die von ihr selbst vorgeschlagene Begutachtung an ihrem aktuellen Wohnort (Alters- und Pflegeheim Derendingen-Luterbach). Das verfassungsm�ssige Gebot der Verh�ltnism�ssigkeit verlangt grunds�tzlich den Einsatz der am wenigsten einschneidenden (tauglichen und angemessenen) Mittel, die zur Realisierung des gesetzlichen Zweckes zur Verf�gung stehen. Die ambulante psychiatrische Begutachtung einer hochbetagten, gebrechlichen und pflegebed�rftigen Person hat daher, soweit m�glich, in ihrer gewohnten UmgebungBGE 124 I 40 (45) BGE 124 I 40 (46)bzw. am Pflegeort stattzufinden, sofern dies - insbesondere aus �rztlicher Sicht - sachlich vertretbar erscheint. Ausserdem sind zus�tzliche psychische und physische Erschwernisse wie etwa ein aufsehenerregendes Abholen durch Polizeibeamte, beschwerliche Transporte und eine Zwangseinweisung in die ungewohnten (und gerade auf �ltere Menschen verst�ndlicherweise zus�tzlich verunsichernd wirkenden) R�umlichkeiten einer psychiatrischen Klinik m�glichst zu vermeiden. Hochbetagte gebrechliche Menschen sind von den Beh�rden eines Rechtsstaates besonders schonend, r�cksichtsvoll und in einer Art und Weise zu behandeln, die ihre W�rde nicht antastet (vgl. dazu BERNHARD SCHNYDER, Vormundschaftsrecht f�r Erwachsene und Menschenw�rde, in: Das Menschenbild im Recht, Freiburg/Ue. 1990, S. 429 ff.).
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    c) Die Argumentation der kantonalen Beh�rden, weshalb eine Begutachtung am Wohnort der Beschwerdef�hrerin nicht in Frage komme, vermag sachlich nicht zu �berzeugen. Die Vormundschaftsbeh�rde bringt vor, es sei "keineswegs Gew�hr daf�r geboten, dass dort der Arzt ungest�rt seine Befragung und seine Untersuchung durchf�hren kann". Anderseits weist die Vormundschaftsbeh�rde selbst darauf hin, dass die Beschwerdef�hrerin unterdessen definitiv in das Alters- und Pflegeheim Derendingen-Luterbach aufgenommen worden sei. Daher entfalle "m�glicherweise die Notwendigkeit der polizeilichen Vorf�hrung". Es ist in der Tat kaum einzusehen, weshalb die ambulante Begutachtung nicht auch in den R�umlichkeiten des Alters- und Pflegeheims durchgef�hrt werden k�nnte, zumal sich der Gutachter n�tigenfalls auch durch einen Polizei- oder F�rsorgebeamten in zivil begleiten lassen k�nnte. Zwar �ussert die Vormundschaftsbeh�rde die Ansicht, der Gutachter m�sse "m�glicherweise (...) w�hrend der Begutachtung auf Hilfsmittel zur�ckgreifen, die ihm in der Arztpraxis zur Verf�gung stehen". Diese Vermutung wird jedoch nicht n�her begr�ndet und es werden auch die Hilfsmittel nicht genannt, auf die der Gutachter m�glicherweise angewiesen sein k�nnte. Ebensowenig wird von den kantonalen Beh�rden behauptet oder gar belegt, dass der Experte die Ansicht ge�ussert h�tte, eine fachgerechte Begutachtung sei im Alters- und Pflegeheim aus psychiatrie�rztlichen Gr�nden nicht m�glich bzw. es sei ausgeschlossen, die ben�tigten Hilfsmittel zum Alters- und Pflegeheim zu transportieren. Wie im �brigen den Akten zu entnehmen ist, beschr�nkt sich die vorgesehene Begutachtung im wesentlichen auf ein psychiatrisches Untersuchungsgespr�ch (vgl. dazu Venzlaff/Foerster [Hrsg.], Psychiatrische Begutachtung, einBGE 124 I 40 (46) BGE 124 I 40 (47)praktisches Handbuch f�r �rzte und Juristen, 2. Aufl., Stuttgart 1994, S. 119 ff., 536 ff., 601 ff.).
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    d) Die kantonalen Beh�rden verm�gen nach dem Gesagten nicht darzulegen, weshalb es f�r den Zweck der angeordneten Massnahme notwendig w�re, die ambulante Begutachtung in der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Solothurn durchzuf�hren bzw. weshalb im vorliegenden Fall angesichts der besonderen Umst�nde nicht auch eine ambulante Begutachtung in den R�umen des Alters- und Pflegeheims Derendingen-Luterbach m�glich und ausreichend erschiene. Eine solche sachliche Notwendigkeit ist ebensowenig aus den vorliegenden Akten ersichtlich. Da sich die Beschwerdef�hrerin zur Zeit in der Obhut des Alters- und Pflegeheimes befindet und die Heimleitung ausreichend Gew�hr f�r eine ungest�rte Begutachtung der Beschwerdef�hrerin bieten kann, erscheint es auch kaum sachlich geboten, dass der Gutachter polizeilich begleitet wird.
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    e) Da der von den kantonalen Beh�rden angestrebte gesetzliche Zweck auch mit deutlich weniger einschneidenden angemessenen Mitteln erreicht werden kann, erweist sich der angefochtene Entscheid unter den vorliegenden Umst�nden als unverh�ltnism�ssig.
22
 
Erwägung 5
 
5.- Die Beschwerdef�hrerin wendet sich grunds�tzlich nicht gegen eine ambulante psychiatrische Begutachtung an ihrem Wohn- und Pflegeort. Soweit sie dennoch sinngem�ss vorbringen will, f�r eine solche Begutachtung fehle es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, erwiese sich ihre R�ge als offensichtlich unbegr�ndet.
23
    a) Gem�ss bundesgerichtlicher Rechtsprechung stellt die Verpflichtung, sich f�r eine psychiatrische Begutachtung zur Verf�gung zu halten, grunds�tzlich keinen schweren Eingriff in die pers�nliche Freiheit dar. Die von Art. 374 Abs. 2 ZGB ausdr�cklich vorgesehene psychiatrische Begutachtung muss n�tigenfalls auch gegen den Willen der Betroffenen durchgef�hrt werden k�nnen. Andernfalls w�rde der Sinn und Zweck des Gesetzes vollst�ndig unterlaufen (BGE 110 Ia 117 E. 5 S. 121 f.; vgl. HANS MICHAEL RIEMER, Grundriss des Vormundschaftsrechts, 2. Aufl., Bern 1997, � 4 N. 11; SCHNYDER/MURER, a.a.O., Art. 374 ZGB, N. 91, 121). Aus den Akten ergeben sich im �brigen auch gen�gend konkrete Gr�nde f�r die Einleitung eines Entm�ndigungsverfahrens wegen altersbedingter Geistesschw�che.
24
    b) Bei dieser Sachlage braucht nicht entschieden zu werden, ob �ber das bereits Dargelegte hinaus eine ausreichende gesetzliche Grundlage f�r eine zwangsweise polizeiliche Vorf�hrung zu einer ambulanten Begutachtung in einer psychiatrischen Klinik best�nde.BGE 124 I 40 (47)
25
BGE 124 I 40 (48) c) Im �brigen ist zu bemerken, dass eine allf�llige Weigerung der Beschwerdef�hrerin, sich einer ambulanten Begutachtung an ihrem Wohnort zu unterziehen, aufgrund der heutigen Aktenlage rechtsmissbr�uchlich und tr�lerisch erschiene und kaum rechtlichen Schutz f�nde.
26
 
Erwägung 6
 
6.- Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde - im Sinne der obigen Erw�gungen - gutzuheissen und der angefochtene Entscheid wegen Verletzung der pers�nlichen Freiheit bzw. des Grundsatzes der Verh�ltnism�ssigkeit aufzuheben ist.BGE 124 I 40 (48)
27
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